11 Regelbasierte Systeme und Expertensysteme

11.1 Einführung

Regelbasierte Systeme und Expertensysteme gehören zu den klassischen Ansätzen der symbolischen Künstlichen Intelligenz. Sie ermöglichen die modellhafte Darstellung und Verarbeitung von Wissen, indem sie logische Wenn-Dann-Regeln zur Ableitung von Schlussfolgerungen nutzen.

11.2 Regelbasierte Systeme

Ein regelbasiertes System besteht aus einer Menge von Regeln, einer Wissensbasis und einem Schlussfolgerungsmechanismus. Es verarbeitet Informationen, indem es die Regeln auf die gegebenen Fakten anwendet.

11.2.1 Aufbau eines regelbasierten Systems

Wissensbasis: Enthält Fakten über die Domäne (z. B. Symptome eines Patienten).
Regelbasis: Enthält Wenn-Dann-Regeln zur Ableitung neuer Fakten.
Inference Engine (Schlussfolgerungsmechanismus): Wendet Regeln auf die Wissensbasis an, um neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Benutzerschnittstelle: Dient zur Interaktion mit dem System, z. B. zur Eingabe von Daten oder zum Abrufen von Schlussfolgerungen.

11.2.2 Beispiel für ein regelbasiertes System

11.2.2.1 Regelbasis

% Wenn eine Person Fieber und Husten hat, dann könnte sie eine Grippe haben
krankheit(X, grippe) :- symptom(X, fieber), symptom(X, husten).

% Wenn eine Person Halsschmerzen und Fieber hat, dann könnte sie eine Mandelentzündung haben
krankheit(X, mandelentzündung) :- symptom(X, halsschmerzen), symptom(X, fieber).

11.2.2.2 Wissensbasis

symptom(peter, fieber).
symptom(peter, husten).

11.2.2.3 Anfrage und Ergebnis

?- krankheit(peter, Y).
Y = grippe.

Erklärung: Da peter die Symptome Fieber und Husten hat, wird die Regel für Grippe aktiviert.

11.2.3 Vor- und Nachteile regelbasierter Systeme

Vorteil	Nachteil
Transparenz: Regeln sind explizit definiert und nachvollziehbar.	Wissensakquisition: Das manuelle Erstellen der Regeln ist aufwendig.
Einfache Implementierung: Besonders gut für klar strukturierte Probleme geeignet.	Skalierbarkeit: Bei einer großen Regelbasis wird die Verarbeitung komplex.
Flexibilität: Regeln können einfach ergänzt oder modifiziert werden.	Starre Entscheidungslogik: Keine Lernfähigkeit, keine Generalisierung.

11.3 Expertensysteme

Expertensysteme sind eine Erweiterung regelbasierter Systeme und simulieren das Wissen und die Entscheidungsfindung menschlicher Experten. Sie werden in spezialisierten Bereichen eingesetzt, um fundierte Entscheidungen zu treffen.

11.3.1 Komponenten eines Expertensystems

Wissensbasis: Enthält Fakten und Regeln, die das Wissen eines Experten abbilden.
Inference Engine: Kombiniert vorhandenes Wissen, wendet logische Regeln an und zieht Schlussfolgerungen.
Erklärungsmodul: Begründet Entscheidungen für den Benutzer (z. B. warum eine bestimmte Diagnose gestellt wurde).
Benutzerschnittstelle: Ermöglicht die Interaktion mit dem System, etwa zur Eingabe von Daten oder zur Beantwortung von Fragen.

11.3.2 Beispiel: Medizinisches Expertensystem

Ein Expertensystem für medizinische Diagnosen könnte folgende Regeln enthalten:

krankheit(X, grippe) :- symptom(X, fieber), symptom(X, husten), symptom(X, kopfschmerzen).
krankheit(X, erkältung) :- symptom(X, schnupfen), symptom(X, husten).
krankheit(X, mandelentzündung) :- symptom(X, fieber), symptom(X, halsschmerzen).

Wenn ein Patient Symptome eingibt, liefert das System eine diagnostische Empfehlung.

11.3.3 Anwendungsgebiete von Expertensystemen

Medizinische Diagnostik: Unterstützung von Ärzten bei der Diagnosestellung (z. B. MYCIN für Infektionskrankheiten).
Technische Fehlerdiagnose: Identifikation von Fehlern in Maschinen oder Software (z. B. XCON zur Konfiguration von Computern).
Jurisprudenz: Unterstützung in der Rechtsberatung durch Regelwerke und Fallanalyse.
Finanzwesen: Betrugserkennung und Risikobewertung in Kreditinstituten.

11.3.4 Vor- und Nachteile von Expertensystemen

Vorteil	Nachteil
Hohe Präzision: Kann Expertenwissen systematisieren und standardisieren.	Komplexe Wissensmodellierung: Schwierige Implementierung großer Wissensbasen.
Konsistente Entscheidungen: Keine Ermüdung oder subjektive Einflüsse wie bei menschlichen Experten.	Keine Intuition: Kann unbekannte oder unvollständige Fälle nicht flexibel behandeln.
Einsatz in spezialisierten Bereichen: Besonders geeignet für strukturierte Domänen mit klaren Regeln.	Wartungsaufwand: Regeln müssen regelmäßig überprüft und angepasst werden.

Regelbasierte Systeme und Expertensysteme haben eine lange Tradition in der Künstlichen Intelligenz. Sie sind besonders in klar strukturierten Domänen nützlich, in denen explizites Wissen vorhanden ist. Allerdings sind sie nicht lernfähig und stoßen bei komplexen oder unscharfen Problemstellungen an ihre Grenzen. In modernen Anwendungen werden sie oft mit maschinellem Lernen kombiniert, um flexiblere und leistungsfähigere Systeme zu entwickeln.